Vor 200 Jahren erhielt der Grosse Rat folgenschweren Zuzug aus dem Birseck

Am 20. März 1815 schlug der Wiener Kongress das Birseck dem Kanton Basel zu. Der «Große Rath» erhielt dadurch Zuwachs. Allerdings übertaten sich die Städter nicht gerade mit Grosszügigkeit in Sachen Grossratssitze für die Birsecker – die denn auch keine zwanzig Jahre später der Stadt die Revolution ansagen sollten. Ein Rückblick auf die damaligen Ratsverhandlungen.

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Alte Ratsprotokolle im Staatsarchiv © ParlD 

 

Ziemlich dringlich angesichts der drohenden Rückkehr Napoleons fällte im März 1815 der Wiener Kongresss seine Beschlüsse, darunter jenen, neun Gemeinden aus dem untergegangenen Fürstbistum Basel, das Birseck, dem hohen Stande Basel und damit der Eidgenossenschaft einzuverleiben.

Das bedeutete auch für den Grossen Rat Zuwachs. Seit der neuen Kantonsverfassung von 1814 zählte dieser 150 Mitglieder. Art. 2 der Vereinigungsurkunde verfügte nun, dass der neue Bezirk vier Sitze zu gut hat: Je einen für die vier Wahlzünfte «Arlesheim und Reinach», «Aesch, Pfeffingen und Ettingen», «Terwiler und Oberwiler» sowie «Allschwiler und Schönenbuch». Der Grosse Rat wuchs dadurch auf 154 Sitze an.

Noch ziemlich andere Ratsverhandlungen

Vier Sitze… Nicht gerade eine spendable Vertretung für die rund 5000 Einwohnerinnen und Einwohner des Birseck, die einem Drittel der Stadtbevölkerung entsprachen. Die Städter selbst hatten 90 Sitze. Der Grosse Rat stimmte der Vereinigungsurkunde am 4. Dezember 1815 zu. Ob die Aufnahme des strukturschwachen und katholischen Birseck in der gutsituierten, reformierten Stadt im Grossen Rat auch Kritiker fand, hält das Ratsprotokoll nicht fest. Die einzelnen Voten wurden nicht aufgezeichnet, so wie insgesamt in dieser Zeit Berichte und Ratschläge nicht gedruckt, sondern in den Sitzungen vorgelesen wurden.

Auch fand keine freie Diskussion statt, sondern der Bürgermeister, der den Ratsvorsitz inne hatte, führte beim Kleinen Rat (Regierung) und Grossen Rat eine Umfrage durch. Eine richtige Gewaltentrennung gab es noch nicht. Die Sitzungen fanden ausserdem bei geschlossenen Türen statt; der Grosse Rat tagt erst seit 1833 öffentlich.

Die neun Gemeinden hatten sich den Beitritt zum Kanton Basel mittels Petition gewünscht. Für den Kanton Basel war die Erweiterung seiner Grenzen schon ein Jahrzehnt zuvor zur Debatte gestanden, als der Anschluss des österreichischen Fricktals zur Diskussion stand; er stand Erweiterungen eher vorsichtig gegenüber.

Gedanke der Vertretung nach Kopfzahl war damaliger Zeit fremd

Nach 1814 besetzte die Stadt drei Fünftel, die bevölkerungsreichere Landschaft zwei Fünftel der Grossratssitze; in der Mediationszeit unter französischer Vorherrschaft (1803-1813) hatten die Landbürger die Mehrheit gehabt. Die Benachteiligung im Grossen Rat schien auf der Landschaft in den ersten Jahren unbeanstandet zu bleiben, und für die Städter – nicht nur in Basel – war ohnehin klar, dass der Bildung und dem Besitz ein Übergewicht einzuräumen sei. Knappe zwanzig Jahre später besannen sich jüngere Landschäftler auf ihre Benachteiligung – mit den bekannten Folgen. Die Anführer der Baselbieter Volkserhebung stammten aus dem Birseck.

Text Eva Gschwind und André Salvisberg/Parlamentsdienst.

Quellen: Digitalisierte Grossratsprotokolle 1815, Staatsarchiv BS; Geschichte der Landschaft Basel und des Kantons Basellandschaft, Liestal, 1932; Basel in der Zeit der Restauration. 1814-1830, 83. und 84. Neujahrsblatt, GGG, 1905/6.