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Volksinitiative «Kinderbetreuung für alle»: Mehrheit der Bildungs- und Kulturkommission will der Initiative stärker entgegenkommen als der Regierungsrat



Die Bildungs- und Kulturkommission (BKK) des Grossen Rates stellt der kantonalen Volksinitiative «Kinderbetreuung für alle» mit knapper Mehrheit einen erweiterten Gegenvorschlag gegenüber. Dieser orientiert sich am regierungsrätlichen Gegenvorschlag, geht aber darüber hinaus. So fordert die BKK-Mehrheit insbesondere höhere Löhne für Kita-Mitarbeitende. Weiter sollen Praktika im Betreuungsschlüssel von Kitas nicht mehr angerechnet werden. Und das System der Firmenkitas soll erhalten bleiben. Der Gegenvorschlag der BKK würde gegenüber dem regierungsrätlichen Gegenvorschlag weitere jährliche Mehrkosten von 8,3 Mio. Franken bedeuten.

Die Initiative «Kinderbetreuung für alle» fordert eine kostenlose Kinderbetreuung unabhängig von einer Erwerbstätigkeit bis zum Eintritt in die erste Klasse der Primarschule. Der Regierungsrat erachtet die jährlichen Kosten in dreistelliger Millionenhöhe als nicht tragbar. Er legte im November 2022 einen Gegenvorschlag mit umfangreichen Massnahmen zur finanziellen Entlastung der Eltern, zur Verbesserung der Betreuungsqualität und der Arbeitsbedingungen und für mehr Fachkräfte dank verbesserter Vereinbarkeit von Familie und Beruf, vor. Die Massnahmen würden sich auf 27,7 Mio. Franken pro Jahr belaufen bei einer Belegung auf dem aktuellen Stand.

In der BKK verlief die Diskussion kontrovers. Die von der Kommission schliesslich verabschiedeten gesetzlichen Anpassungen weisen wechselnde Mehrheiten auf. Zur Initiative und zum regierungsrätlichen Gegenvorschlag gibt die BKK keine Empfehlung ab.

Höhere Löhne für Kita-Mitarbeitende

Mitarbeitende von Kitas sind heute bei privatrechtlich organisierten Kitas angestellt. Grundsätzlich sind Kitas damit frei, die Löhne ihrer Mitarbeitenden nach ihrem Ermessen zu gestalten. Dieser Umstand gilt jedoch nur für Kitas ohne Betreuungsbeiträge, wie beispielsweise für Firmenkitas. Alle anderen Kitas sind durch die sogenannten Modellkosten finanziell gedeckelt. Die Kitas weisen daher bei der Ausgestaltung der Löhne für ihre Mitarbeitenden kaum Handlungsspielraum auf. Da die Löhne in den schulinternen Tagesstrukturen höher sind, wechseln viele Kita-Mitarbeitende in die Schulen.

Der Regierungsrat sieht keine Veränderungen der Löhne der Kita-Mitarbeitenden vor. Demgegenüber vertritt die Kommissionsmehrheit die Ansicht, dass eine Angleichung der Löhne der Kita-Mitarbeitenden an die Löhne der Mitarbeitenden der schulinternen Tagesstruktureinrichtungen viele positive Auswirkungen hätte. So würden faire Löhne bezahlt, die Abwanderung von Mitarbeitenden der Kitas eingedämmt sowie die Attraktivität des Berufs gesteigert. Aus diesem Grund sollen sowohl die Löhne des pädagogisch ausgebildeten Personals als auch die Löhne des Betreuungspersonals ohne fachspezifische Ausbildung auf das Niveau der Tagesstrukturen angehoben werden.

Eine Kommissionsminderheit bekundet Mühe damit, dass die Kommissionsmehrheit bereits heute inhaltlich weitergehen möchte als der regierungsrätliche Gegenvorschlag. Aus Sicht der Minderheit wäre es geschickter, zunächst die Wirkungen der vom Regierungsrat vorgeschlagenen Massnahmen abzuwarten, bevor weitere beschlossen werden.

Keine Anrechnung von Praktika im Betreuungsschlüssel der Kitas

Der regierungsrätliche Gegenvorschlag sieht vor, dass freiwillige Praktika im Hinblick auf eine Lehre als Fachfrau/Fachmann Betreuung nicht mehr im Betreuungsschlüssel und damit auch nicht mehr in der Modellkostenrechnung berücksichtigt werden. Obligatorische Praktika, welche im Rahmen der ordentlichen Ausbildung vorgesehen sind, sollen hingegen weiterhin Teil der Modellkostenrechnung sein. Eine vertiefte Abklärung des Erziehungsdepartements auf Anfrage der BKK ergab, dass die obligatorischen Praktika im Rahmen der Ausbildung von Studierenden der Sozialpädagogik oder aus der FMS bereits heute nicht mehr an die Ausbildung angerechnet werden.

Die BKK ist sich einig, dass die Streichung der obligatorischen Praktika aus der Modellkostenrechnung folgerichtig ist. Durch diese Massnahme entsteht jedoch eine Lücke im Betreuungsschlüssel. Die BKK schlägt daher vor, dass die Kitas künftig mehr Mittel erhalten sollen, um den Betreuungsschlüssel durch Betreuungspersonal ohne pädagogische Ausbildung zu ergänzen. Die Anstellung von Praktikantinnen und Praktikanten ausserhalb des Betreuungsschlüssels soll weiterhin möglich sein.

Erhalt des Systems der Firmenkitas

Mit der Umsetzung des regierungsrätlichen Ratschlags soll das etablierte System von Firmenkitas keinen Bestand mehr haben. Firmenkitas sind Kitas, bei welchen Firmen die Differenz zwischen dem Vollkostenpreis pro Kitaplatz und dem Betreuungsbeitrag für Eltern finanzieren. Für Firmenkitas gelten jedoch die gleichen Bewilligungsvoraussetzungen wie für alle anderen Kitas. Sie unterscheiden sich von den Kitas mit Betreuungsbeiträgen lediglich in Bezug auf die Aufnahmekriterien, da sie ausschliesslich für Kinder zugänglich sind, deren Eltern bei der Firma angestellt sind.

Die Kommissionsmehrheit sieht in der drohenden Zerschlagung des funktionierenden Systems der Firmenkitas einen bedeutenden Fehler des regierungsrätlichen Gegenvorschlags. Bei der Rekrutierung von hochqualifizierten Mitarbeitenden ist die sofortige Bereitstellung eines bezahlbaren Kitaplatzes ein wichtiger Standortfaktor. Aus diesem Grund solle das System beibehalten werden.

Eine Kommissionsminderheit stellt sich auf den Standpunkt, dass grundsätzlich alle Kitas nach denselben Massstäben beurteilt werden müssen.

Übernahme der Betreuungskosten für das dritte Geschwisterkind

Der Antrag für eine vollständige Entlastung der Familien ab dem dritten betreuten Kind wurde in der Kommission besonders kontrovers diskutiert. Ein Teil der Kommission vertritt die Ansicht, dass die finanziellen Belastungen hinsichtlich des Unterhalts einer Familie für Geringverdienende sehr hoch sind. Diese Belastung erhöhe sich mit jedem weiteren Kind bei gleichbleibendem Lohn erheblich. Die Kommissionsminderheit vertritt die Ansicht, dass der regierungsrätliche Gegenvorschlag bereits sehr grosszügig ausgestaltet ist. So sollen die Betreuungsbeiträge an Eltern mit Kindern in familienergänzender Tagesbetreuung, in Kindertagesstätten und Tagesfamilien deutlich erhöht werden.

 

Weitere Auskünfte

Franziska Roth
Präsidentin der Bildungs- und Kulturkommission
Telefon +41 79 624 72 12                                                                          

Catherine Alioth
Vizepräsidentin der Bildungs- und Kulturkommission
Telefon +41 76 366 65 63

 

Ganzer Bericht:

Bericht der Bildungs- und Kulturkommission zur Initiative "Kinderbetreuung für alle" und zum Gegenvorschlag der Regierung